Sonntag, 11. September 2016

Kollegengespräche - Nietzsche und Frauenverachtung?

Ich möchte beginnen mit Nietzsches angeblicher Frauenverachtung, werden seine Texte oberflächlich gelesen, so mag an dem Vorwurf etwas dran sein, ich setzte mich bereits auf KUNO in Macht dienen glücklich oder mächtig? mit einem dieser Aphorismen aus Menschliches, Allzumenschliches auseinander und kam zu einem anderen Ergebnis.
In dem Zitat heißt es:

Die Frauen wollen dienen und haben darin ihr Glück und der Freigeist nicht bedient sein und hat darin sein Glück.

Hätte Nietzsche geschrieben: Die Frauen dienen, die Männer haben darin ihr Glück, könnte der Leser ihm zurecht eine Frauenverachtung unterstellen, das hat er aber nicht geschrieben

Durch das Wollen der Frau setzt er eine Entscheidungsmöglichkeit voraus, er sieht in der Frau ein mächtiges Wesen, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse durchsetzt, während der Mann in diesem Aphorismus so klein ist, dass er nicht einmal Erwähnung findet, nur der Freigeist kann sich der mächtigen Frau gegenüber behaupten, sich emanzipieren und das Bedientsein ablehnen.

Ich nehme hier eher eine Angst wahr vor der übermächtigen Frau, ähnlich wie in dem Eingangszitat von Weber, eine Angst, dass nicht der Verstand, sondern die Erotik der Frau regieren könnte, wenn Frauen mehr zu sagen haben. Nietzsche schaut hier bereits genauer hin, er stellt bereits fest,  dass die Frau etwas will und sich durchsetzt, völlig unabhängig von den Mitteln, die sie dafür einsetzt. Dass Nietzsche dies schärfer beobachten konnte als Weber, ist vermutlich u.a. der Tatsache geschuldet, dass er im Alter von 5 Jahren seinen Vater verlor und in einem reinen Frauenhaushalt aufwuchs, in dem Frauenmacht selbstverständlich war.

Andererseits schätzte Nietzsche die natürliche Intelligenz der Frauen, die im 19. Jahrhundert noch weitgehend von höherer Bildung ausgeschlossen wurden:

Mädchen als Gymnasiasten. - Um alles in der Welt nicht auch noch unsere Gymnasialbildung auf die Mädchen übertragen! Sie, die häufig aus geistreichen, wissbegierigen, feurigen Jungen - Abbilder ihrer Lehrer macht! (Menschliches, Allzumenschliches, 409)

Hier könnte der oberflächliche Leser annehmen, Nietzsche wollte Mädchen und Frauen von höherer Bildung ausschließen, im Nachsatz aber wird deutlich, dass Nietzsche sich gegen die Art der Bildung auf den damaligen Gymnasien ausspricht, die aus ehemals geistreichen Jungen, angepasste autoritätshörige, nicht mehr selbst denkende Männer macht (Abbilder ihrer Lehrer). Hier schreibt er der Frau eine nicht vom Mainstream belastete Intelligenz zu, die sich aus eigenem Nachdenken und Bilden entwickeln kann, die das Gymansium aber so weit zerstört, dass es intellektuelle Eliten nahezu ausschließt, er sieht in ihr den Freigeist, den der gewöhnliche, auch der gebildete, Mann kaum erlangen kann. Das erschließt sich u.a. weiter aus Satz 411:

Der weibliche Intellekt. - Der Intellekt der Weiber zeigt sich als vollkommene Beherrschung, Gegenwärtigkeit des Geistes, Benutzung aller Vorteile ...

Auch hier geht es wieder um eine Erhöhung der Frau und eine Abwertung des Mannes, denn weiter geht es mit:

... Dem widerspricht nicht, dass die Männer tatsächlich es mit ihrem Verstande so viel weiter bringen: sie haben die tieferen, gewaltigeren Antriebe; diese tragen ihren Verstand, der an sich etwas Passives ist, so weit ... 

Natürlich kann Angst auch in Verachtung umschlagen, wir können hier weiter untersuchen, ob das bei Nietzsche der Fall war oder ob er der Freigeist war, der sich emanzipiert hat.

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